Die Erkunstung - Was Kunst für mich ist.



Die Erkunstung ist eine schindbüßliche Technik, im Schlachtendonner des gnadenlosen Seins zeitberaumt durchzuatmen um über eigene Wahrnehmungen und deren persönliche Auswirkungen genau und rücksichtslos zu berichten.
Bei Wahrnehmung dieser Berichterstattung selbst kann bisweilen der Eindruck entstehen, daß damit die restliche Welt begreiflicher zu sein scheint.


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Statement meines Lehrers
Marc Adrian (4.12.1930 - 6.2.2008)
aus dem Vorwort:

marc adrian
ritter verlag - anna artaker, peter waibel, HG. / EDS.
ISBN 978-3-85415-412-99

...
eine existenz wählt man nicht, man hat sie erhalten und
verteidigt sie als geistige zu jeder stunde gegen die externen
versuche, als mensch dahin manipuliert zu werden, wohin
einen die macht verschieben will, damit man ihr besser diene
als sich selbst: "als staatsbürger darfst du dies oder solltest
du jenes...". (allerdings glauben nur wahrliche kinderseelen,
dass ihnen damit entscheidungen vorgelegt werden, deren
relevanz die wahl zwischen Omo und Persil übersteigt.)
natürlich ist es naiv, sich vorzustellen,man hätte, heute
klüger geworden, "damals" (wann?) "andere" entscheidungen
getroffen. jede entscheidung erfolgt momentan und (wenn
möglich) wenigstens teilautonom. "andere" entscheidungen
gibt es nicht, schon deshalb, weil man, trotz aller erfahrung
in stets neuen szenarien lebt und nach dem gegenwärtigen
informationsstand handelnd die jeweils beste entscheidung
fällt. der informationsstand kann sich allerdings mit größter
geschwindigkeit ändern, aber das, was einen einmal zu einer
entscheidung gebracht hat, war in jenem moment eben
zwingend.
...

marc adrian, mai 2007



           Tanz
       für
Violine Solo
                für den Film
                            Stadtwerkstatt
                                                  von
                                            Marc Adrian:
http://members.aon.at/peter.ruzsicska/Tanz-Stadtwerkstatt.mp3



Nachruf für Marc Adrian

Als die Nachricht des Todes von Marc Adrian bei mir ankam, war ich bald erstaunt, daß dieser Mensch, wiewohl auch andersartige Mitmenschen den Selbigen als schwierig empfanden, in mir eine reiche Fülle von wirklicher Lebenskraft hinterließ.
Dies tat er nicht nur durch sein Werk an sich, sondern durch die Atmosphäre, die er ständig mit sich herumtrug und auch fähig war diese bewußt (ver)mitteilbar zu gestalten.
Zu unserem persönlichen Verhältnis, welches naturgemäß niemanden etwas angeht, war die künstlerische Arbeit mit ihm genau das, was die Bezeichnung Arbeit wirklich verdient.

Unsere Kultur verwandelt jede Art von Arbeit in Sklaverei, dadurch versteht sich Arbeit ausschließlich als etwas, welches der Verführung, Vernutzung, zerniedrigendster Vereignung, Totalvereinnahmung und schließlich der Vernichtung vorauseilendst dienstbar zu sein hat und letztlich auch ist. Außerdem - herrscht - im wahrsten Sinne dieses Wortes der unausgesprochene Befehl, daß die brauchbaren Ergebnisse dieser "Arbeit" als Sinn und Endzweck den Edlen und Erlauchten (auch verwirrend als Gesellschaft bezeichnet) auf das Gefälligste zukömmlich zu sein haben. Was aber brauchbare Ergebnisse sind, bestimmen Jene die Definitionsgewalt besitzen.

Marc war besonders interessiert, was fast als Neugier misszuverstehen war und es schien, als ob ihn "bloß" Fragen und deren Beschreibungen interessierten.
Die Zusammenarbeit gestaltete sich völlig entspannt, da er immer genau wußte was - er - wollte.
Schon allein deshalb gab es von vornherein keine Unklarheiten, geschweige denn so etwas wie Mißverständnisse.
Seine Rücksichtslosigkeit, mit der er seine persönlichen Wahrnehmungen ebenso rücksichtslos mit der gesamten Welt in Beziehung setzte, ermöglichte einen Raum, der besonders auch anderen Künstlern die notwendige Sicherheit und Freiheit bereitete, ganz einfach Kunst zu entfalten. Mit ihm zu arbeiten konnte nur zu einem guten Ergebnis führen, was es auch tat.

Die eigentümliche Gewissheit, diesen Menschen nicht mehr persönlich zu gewahren, der durch sein Werk und durch seine Atmosphäre in mir beständige Wirklichkeit ist, mag Andere mehr oder weniger berühren:
Es verbleibt letztlich ein reichhaltiges Werk, welches zusätzlich durch seine formale Kraft die Endlichkeit eines Menschenlebens scheinbar verlängert.
So ist es nun der Gesellschaft und deren Kultur überlassen, ob und wie sich diese scheinbare Verlängerung eines Menschenlebens gestaltet.
Er ist, wem oder was auch immer sei Dank, nicht mehr dabei!

Peter Ruzsicska
Wien, 30. Oktober 2010